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Let's build a time machine - Druckversion +- Crossing Currents (https://www.crossing-currents.de) +-- Forum: New England Stories (https://www.crossing-currents.de/forumdisplay.php?fid=12) +--- Forum: Marblehead (https://www.crossing-currents.de/forumdisplay.php?fid=13) +--- Thema: Let's build a time machine (/showthread.php?tid=9) Seiten:
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RE: Let's build a time machine - Adrian Taylor - 13.09.2025 Leute zum ersten Mal mit in sein Zimmer zu nehmen war immer ein besonderer Moment. Alles hier entlarvte ihn einfach als kreativen Künstler, auch wenn ein paar Medaillen, die an der Wand neben dem Bett noch davon zeugten, dass er auch mal wirklich gerne und erfolgreich im Schwimmteam gewesen war. Das war natürlich gewesen, bevor der Vorfall das Leben eines Mannschaftskameraden zerstört hatte. Heute schwamm Adrian kaum noch, auch wenn er das Gefühl von Wasser auf der Haut noch immer liebte. So sehr, dass er sogar gerne im Regen mit Bruno spazieren ging. Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass River mit seinem Zimmer und all den, teilweise nur angefangenen, Bildern nicht viel abgewinnen konnte und umso positiver überrascht war er, als sein Mitschüler nach ein paar Momenten tatsächlich eine Frage dazu stellte. Weil Adrian aber nicht zu bedürftig an Aufmerksamkeit vom Blondschopf erscheinen wollte, versuchte er seine Begeisterung in der Stimme nicht zu sehr hochkochen zu lassen. „Ich experimentiere mim Stil noch was rum“, antwortete er also, „aber meistens male ich Menschen. Oder Tiere. Na ja, vor allem Bruno.“ Ein bisschen irritiert war er ja schon, dass der Vierbeiner nicht direkt mit ihnen nach oben gekommen war. Das sah ihm gar nicht ähnlich. „Gerade steh ich vor allem auf einfache Bleistiftzeichnungen. Aber das wechselt.“ Was unschwer zu erkennen war, wenn man sich die Leinwand mit einer begonnen Waldlandschaft aus Aquarell ansah oder die paar farbenprächtigen Bilder, die am Boden an der Wand lehnten. „Malst du auch?“, fragte er dann und sah den Anderen neugierig an. Zum Glück kam nun endlich Bruno, sonst wäre Adrian wohl noch mal nach unten gegangen um zu kontrollieren, dass mit seinem Großvater alles in Ordnung war und dass Bruno nicht das Gemüse vom Tisch stahl. Wenn es um Futter ging verwandelte der kuschelwütige Hund sich nämlich schnell in einen notorischen Dieb. Das war allgemein schon anstrengend, vor allem aber wenn man mit mindestens einer dementen Person zusammenlebte, die ihr Essen gerne überall liegen ließ. River konnte also mit Werkzeug umgehen. „Ja. Also.. ich hatte kein Werken, aber ich hab viel mit meinem Opa und meinem Dad gebaut. Wir haben im Garten auch einen kleinen Schuppen, wo wir da gut arbeiten können. Mein Großvater hat da ne Werkbank, Werkzeug... vielleicht sogar noch Holzreste, können wir gleich mal nachschauen.“ Ansonsten würden sie da aber wohl ran kommen. Er sah zu River auf und versuchte auch nicht zu aufgeregt darüber zu sein, dass er ihn auf seinem Bett sitzen hatte. Aber verdammt: Wenn er später da drin liegen würde und alles nach ihm riechen würde... nein, daran sollte er jetzt nicht denken. Er versuchte also ein Thema zu finden, was unverfänglicher und für seinen Penis absolut uninteressant war. „Hast du ne Allergie gegen Nüsse oder magst du sie nur nicht?“, fragte er dann also, als sei das ein logischer Sprung vom vorherigen Thema aus gewesen. RE: Let's build a time machine - River Ingram - 13.09.2025 Es kam ganz plötzlich, dass River Adrian ein ganzes Stück weniger scheiße fand, sobald er dessen Zimmer betrat. Zwei kreative Seelen, die sich über den Weg gelaufen waren, auch wenn sie von einer Freundschaft oder so etwas noch sehr weit entfernt waren. Aber River fühlte sich von Kreativität angezogen, gerade deswegen, weil er nicht so viele andere in seinem Alter kannte, die sich für so etwas interessierten. In seiner alten Clique war ein Mädchen, das auch gemalt hatte. Keine Ahnung, ob das der Grund war, oder weil sie einfach hübsch gewesen war, dass River ganz kurz ein bisschen in sie verknallt gewesen war. Bis er herausgefunden hatte, dass sie ein ziemlich hinterfotziges Miststück sein konnte. Aber jetzt konnte ihm das alles mal den Buckel runterrutschen, von seinen alten sogenannten „Freunden“ meldete sich eh keiner mehr wirklich. Anfangs, als River umgezogen war, hatten sie ihn geärgert, oder ihm ab und an Bilder geschickt. Aber hauptsächlich hatte River über Insta, Twitter und Snapchat nachverfolgen können, was die anderen für tolle Leben lebten, während er selber beinahe an Langeweile verendete. Aber ein Gutes hatte seine jetzige Situation: River schrieb jetzt mehr als jemals zuvor, weil er so viel Zeit hatte, selbst auf der Arbeit, weil anscheinend kaum wer noch echte Bücher kaufen wollte. Die hatten doch alle keine Ahnung. Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass Adrian anders wurde, als River die Malerei ansprach. Als wolle er darüber reden. Und River wollte ja auch über das reden, was er schrieb, aber der Redebedarf war nicht so groß wie das Bedürfnis sich einzuigeln und alle zu verscheuchen. Und deswegen fragte er auch nicht nach, ob er was von Adrians Arbeiten sehen konnte, also etwas, das jetzt nicht völlig offensichtlich herumlag. Lieber setzte er sich auf das Bett, der Eistee wurde auf dem vollen Nachttisch abgelegt. Gedankenverloren griff er sich das Kopfkissen, legte es sich in den Schoß und rieb die Füllung zwischen den Fingern. Und während er das tat, erinnerte er sich an ihre Diskussion auf dem Schulhof, und wie diese zustande gekommen war. „Hast du da auch gezeichnet, während der Pause?“ Als ob Adrian sofort wüsste, wovon River sprach. Dann schaute er den anderen an und antwortete: „Ich male nicht.“ Er verriet aber auch noch nicht, was er tatsächlich machte. War ihm nicht peinlich, aber das war der Teil von ihm, der ihm am wichtigsten war, und den wollte er nicht mit irgendwem teilen, dem er nicht vollkommen vertraute. „Willst du nicht erst mal gucken, was du überhaupt bauen willst, bevor du nachguckst was da ist?“ Es kam River nicht in den Sinn, dass es Leute gab, die mit dem arbeiten mussten, was schon vorhanden war. Und dass er jetzt auch einer von diesen Menschen war. Wenn River früher etwas für ein Projekt gebraucht hatte, dann hatte er es einfach gekauft, ohne darüber nachzudenken. Er fand es nicht fair, dass sein Dad den Geldhahn zugedreht hatte. Aber River fand so einiges nicht fair. Er nestelte weiter an dem Kissen herum und überlegte, wann er wohl wieder nach Hause gehen würde, was es heute zum Abendessen gäbe, und scheiße, die Hausaufgaben mussten ja auch noch gemacht werden. River war mit den Gedanken schon zurück in seinem eigenen Zimmer, als Adrians Frage ihn wieder zurückholte. „Bin allergisch“, antwortete er auf die Frage nach den Erdnüssen. „Ich kann dran sterben.“ Wäre er auch mal beinahe. „Ich werde nie Reese's essen können“, meinte er und bedauerte diesen Umstand. Die Dinger sahen nämlich verdammt gut aus, und wenn man seinen Freunden Glauben schenken durfte, verpasste er ganz schön was, weil er keine Erdnussbutter essen konnte. RE: Let's build a time machine - Adrian Taylor - 13.09.2025 Fuck. Was sollte er denn jetzt antworten? Die ehrliche Antwort wäre: Ja, natürlich hab ich auf dem Schulhof gezeichnet. Ich zeichne dich dauernd. Gleicht fast einem Wunder, dass du das noch nicht mitbekommen hast. Aber sie verstanden sich gerade verhältnismäßig gut und Adrian war nicht daran interessiert dieses seidene Band von etwas, das sich vielleicht zu einer Freundschaft entwickeln konnte, zu zerreißen, indem er den Anderen damit konfrontierte, wie viel er eigentlich von ihm hielt. Außerdem war er sich ohnehin nicht so sicher, ob es dem Anderen so gut tun würde zu wissen, wie sehr er Adrian gefiel. Immerhin wirkte River auch so schon selbstbewusst genug. Wurde er gerade rot? Er wusste es nicht so genau, aber man sah ihm einfach viel zu schnell an, wenn er verlegen war. „uhm… kann sein. Ich zeichne eigentlich immer, wenn meine Hände nicht gerade mit was anderem beschäftigt sind.“ War das ausweichend genug? Konnte die Antwort überzeugen? Wahrscheinlich nicht. Aber was Besseres war ihm gerade einfach nicht eingefallen. Die nächste Aussage Rivers irritierte ihn dann aber doch. Seine Augenbrauen schoben sich etwas zusammen, während er River fragend anblickte. „Und wenn wir dann einen Plan haben und unser Schuppen nicht das hergibt, was wir brauchen, machen wir…. Was genau?“ Er wusste nicht, ob River in der Theorie die Möglichkeit hatte in dem Fall das Projekt zu finanzieren, aber Adrian würde es nicht verlangen und er rechnete auch nicht damit, dass sein Mitschüler das Angebot machen würde. Nicht für ein Projekt, von dem er noch nicht mal wirklich überzeugt war und das er im Grunde nur mitmachte, weil er keine Lust mehr auf weitere Diskussionen darüber hatte. Vielleicht schätzte River die finanzielle Situation der Taylors aber auch komplett falsch ein? Der Ausdruck auf Adrians Gesicht nahm noch ein wenig an Verwirrung zu, während seine Hand automatisch begann den flauschigen Hund zu kraulen, als würde sie in dem dichten Fell nach der Antwort auf seine Fragen suchen. Gab es irgendetwas in diesem Haus, das darauf schließen ließ, dass sie reich waren? Klar: Das Haus war nicht klein, aber nach Geld sah es hier auch nicht wirklich aus. „Also… ich meine“, versuchte Adrian dann sich zu erklären, ohne den Anderen vor den Kopf zu stoßen. „Meine Großeltern würden bestimmt was zum Projekt dazu geben, aber das meiste muss ich von meinem Taschengeld zahlen und ich bekomme nur 15 Dollar die Woche. Da bekommt man nicht sooo viel Holz von. Das ist echt teuer geworden.“ Herr Je, wieso klang es jetzt so, als würde er sich rechtfertigen? Nun gut: Wahrscheinlich, weil er genau das tat. Er wusste, dass sein Taschengeld etwas unter dem Durchschnitt lag. Die meisten ihrer Mitschüler bekamen mehr. Aber er wusste auch, dass seine Großeltern bereits alles für ihn unternahmen, was möglich war. Er hatte schon häufiger über einen Nebenjob nachgedacht, aber realistisch betrachtet war das einfach nicht möglich. In der Zeit konnte niemand ein Auge auf seine Granny haben und er war doch ohnehin schon überfordert und erschöpft mit der Schule und seinen Aufgaben im Haushalt, wie sollte er da noch einen Job unterkriegen? Und da war es wieder, dieses Gefühl, das er so hasste: Die bitterböse Erkenntnis, dass sie nicht viel Geld hatten und dass er das einfach dauernd zu spüren bekam. Manchmal fiel ihm doch der wöchentliche Einkauf schon schwer, wie sollte er da jetzt noch Holz kaufen? Der Verwirrung war aus seinem Gesicht verschwunden und einer Mischung aus Überforderung und Unwohlsein gewichen. Irgendwann realisierte er, dass man ihm seine Gefühle gerade wohl mal wieder viel zu offensichtlich im Gesicht ansehen konnte. Er wandte den Blick also ab, wahrscheinlich zu spät, und blickte stattdessen auf seinen Zeichenblock. „Wir.. ähm.. können auch doch einfach deine Idee machen“, gab er dann schließlich etwas verunsichert von sich, während auch seine zweite Hand sich nun in das Fell des Hundes legte. Wenigstens erkannte Bruno, dass seine Fähigkeiten als Seelentröster gerade von Nöten waren und schleckte freudig Adrians rechtes Handgelenk ab. „Reese’s sehen viel besser aus, als sie schmecken“, sagte er dann aber um etwas vom Thema abzulenken. „Killen dich nur Erdnüsse oder alle Nüsse…?“ Wenn nur Erdnüsse das Thema waren, fand man bestimmt Rezepte für Haselnuss-Resse`s oder so. RE: Let's build a time machine - River Ingram - 13.09.2025 River wusste gar nicht so recht, wo er eigentlich hinsehen sollte. Da waren die Bilder, die ihn irgendwie interessierten, gleichzeitig aber auch nicht. Dann Bruno, den er gerne noch ein bisschen mehr gestreichelt hätte, der aber gerade nicht in Reichweite war. Und anschließend Adrian, dessen Gesicht eine etwas rosigere Farbe annahm, als ob ihm irgendwas peinlich wäre. „Schämst du dich dafür?“, fragte River, als wäre es ihm nicht selber unangenehm seine geistigen Ergüsse herzuzeigen. „Dann solltest du das ein bisschen weniger offensichtlich machen. Und deine Bilder wegräumen, wenn schon jemand zu Besuch kommt.“ Zwar hatte er keine Ahnung, ob und wie viele Besucher Adrian so hatte, aber rein von seinem sozialen Status in der Schule aus betrachtet, konnte das nicht sehr viel sein. Kurz fragte er sich, wie das wohl vor dem 'Vorfall' gewesen war, von dem River auch nicht viel wusste. Dabei hatte man ihn, als er an die Schule gekommen war, ausführlich über den ganzen Klatsch aufgeklärt. River hatte sich allerdings dafür entschieden nicht besonders aufmerksam zu sein. Als es um die Materialien für ihr Schulprojekt ging, schaute River den anderen dezent verwirrt an. „Wenn wir nicht alles haben, dann kaufen wir das, was wir brauchen.“ Er sagte das mit so einer Selbstverständlichkeit, als wäre es das Offensichtlichste auf der Welt. „Man geht zu seinen Erziehungsberechtigten und sagt, dass man was für die Schule besorgen muss, ganz einfach.“ Dass es nicht für jeden so einfach war, das war ihm gerade nicht wirklich bewusst. River dachte nicht an die Menschen, die mit dem auskommen mussten, was sie hatten, die jeden Cent zweimal umdrehen mussten. Für ihn hatte es bisher immer nur Überfluss gegeben, zumindest bis er seine Strafe im Exil antreten musste. Dann wurden seine Augen groß. „15? Pro Woche?“ Scheiße, man. Wo war er hier gelandet? In einem Dritte-Welt-Land? Dass er selber nur 10 $ pro Woche zur Verfügung hatte, war ihm glatt entfallen. „Da kann man sich ja gar nichts von kaufen“, murmelte er und schüttelte den Kopf. Niemand sollte so wenig Taschengeld bekommen, fand er. Dass das aber eben nicht immer realisierbar war, verstand er nicht, zu sehr war River immer noch in seiner Blase der Reichen und Privilegierten. „Wie teuer kann Holz denn sein? Ist doch kein Mahagoni!“ Dann wandte sich seine Aufmerksamkeit von der eigenen Empörung ab und wieder Adrian zu. „Was ist?“, fragte River. „Ist das auch noch was, das dir peinlich ist?“ Auch wenn man in Rivers Welt belächelt wurde, wenn man nicht den neuesten teuren Schnickschnack hatte, wenn damit angegeben wurde, wer das beste Auto zum 16. Geburtstag geschenkt bekommen hatte, sein Kindermädchen hatte gute Erziehungsarbeit geleistet, als sie ihm beigebracht hatte, dass man nicht auf Menschen hinabschauen sollte, die mit weniger auskommen mussten. Nicht jeder hatte im Leben Glück, hatte sie gesagt, und River könne sich glücklich schätzen, dass er sich niemals um etwas würde Sorgen machen müssen. Was würde sie wohl jetzt zu ihm sagen? Sicherlich wäre sie enttäuscht, dass er sich in die Situation gebracht hatte, in der er jetzt war. „Ich dachte, wir machen jetzt deine Zeitmaschine.“ Zumindest hatte er sich schon halb damit abgefunden. Adrians Ablenkungsmanöver war so semi-erfolgreich. Während der andere den Hund kraulte, hatte River seine Hände immer noch in dem weichen Kissen vergraben. „Erdnüsse sind am schlimmsten. Bei anderen Nüssen merke ich ein bisschen was, aber das geht eigentlich.“ Dann beugte er sich vor und starrte Adrian direkt an. „Was ist jetzt mit der Zeitmaschine?“ River hatte keine Lust unnötig Zeit zu verplempern, er wollte so schnell wie möglich die Arbeit erledigen, um dann Zuhause in seinem Zimmer hocken und sich selber Leid tun zu können. RE: Let's build a time machine - Adrian Taylor - 15.09.2025 Ob er sich…? „Ich schäme mich nicht!“ Seine Stimme war resolut. „Ich kann nämlich gut zeichnen.“ Er kam oft zurückhaltend rüber, fast so, als würde er nicht viel von sich selber halten. Wenig verwunderlich, wenn man bedachte, wie sein Stand in der Schule war. Für seine Zeichnungen schämte er sich trotzdem nicht. Sie waren ein Teil von ihm, den er mochte. Seine Flucht aus der Realität. Eine Art Schlaraffenland, das er selber gestalten konnte. Er gehörte auch zu den glücklichen Jungen, deren Familie diesem Talent nicht im Weg standen. Sein Vater war über jedes Bild stolz gewesen, sein Großvater hatte ihm weitere Tricks und Kniffe beigebracht und vor allem hatte er sich nie anhören müssen, dass irgendwas daran zu wenig männlich war. Ein Blinzeln stahl sich in sein Gesicht. Was bitte? „Ja, das ist ganz einfach“, wiederholte er dann die Worte des Anderen und schüttelte leicht den Kopf. Das konnte er doch nicht wirklich ernst meinen? Es war ja das Eine privilegiert aufzuwachsen und nicht alle Aspekte zu kennen, die mit begrenzten finanziellen Mitteln einhergingen,etwas ganz Anderes war es zu ignorieren, dass nicht jeder solche Privilegien genoss. Wie bitte sollte er River klar machen, dass das Leben nicht so einfach war? Dass er nicht mal ebenso zu seinem Großvater gehen und ihm um eine Unmenge an Geld bitten konnte? Natürlich, der alte Mann würde ihm sein letztes Hemd geben, aber das ging nun mal nur solange er noch eines hatte. Es war ein Versuch dem Anderen anhand seines Taschengeldes klarzumachen, dass sie keine großen Ausgaben erledigen konnten, aber so richtig schien das auch nicht zu fruchten. „Sparen, River, man kann sparen.“ Wusste er überhaupt was das war und wie das funktionierte? War er irgendwann in seinem Leben an den Punkt geraten, wo das von Nöten gewesen war? Oder war er immer zu Mommy oder Daddy gegangen und hatte die Hand aufgehalten, wenn er etwas gebraucht oder auch nur gewollt hatte? Das konnte ja heiter werden! „Natürlich brauchen wir kein Mahagoni, aber auch einfaches Holz ist echt nicht mehr billig. Wenn wir das komplett neu kaufen wollen, dann brauchen wir bestimmt 150 Dollar oder so.“ Er hatte gar nicht wirklich das Bedürfnis reich zu sein, aber die Situation hier war ihm unangenehm. Er wollte nicht, dass River noch schlechter von ihm dachte, als ohnehin schon, aber er konnte nun mal auch nichts daran ändern, dass er nicht mal ebenso Holz kaufen konnte. „Aber wir haben bestimmt wirklich noch Holzreste im Schuppen.“ Sie würden das schon irgendwie hinbekommen. Die Schlussfolgerung Rivers war zwar treffend, aber dass seinem Mitschüler das aufgefallen war, störte Adrian trotzdem. „Es ist mir nicht unangenehm-unangenehm. Ich will nur dieses blöde Projekt gut abschließen, okay?“ Mit schönem Holz, aber ohne dafür Geld ausgeben zu müssen, das er nun mal nicht hatte. Bei der Nusssache nickte er nur kurz, während es in seinem Kopf bereits arbeitete. Haselnussreeses? Oder doch eher aus Walnuss? Hm. Darüber würde er später mehr nachdenken, erst mussten sie sich um ihr Projekt kümmern und nachdem sie sich eigentlich endlich für seinen Vorschlag entschieden hatten, war er es nun, der zurückruderte. „Ich weiß nicht“, sagte er also auf Rivers Fragen hin und warf etwas frustriert ein Spielzeug von Bruno in den Flur. „Ich möchte das machen und ich weiß schon, wie es aussehen könnte, aber wir brauchen halt viel Material und weiß nicht, ob wie das hinkriegen. Vielleicht sollten wir uns doch was suchen, was weniger Material braucht. Oder Billigeres.“ RE: Let's build a time machine - River Ingram - 21.09.2025 Stimmt, zeichnen konnte er. Ob er auch zeichnen könnte, was River durch den Kopf spukte, wenn er schrieb? All die Szenen, die er sich vorstellte, die er zu Wort brachte, und deren Abbilder bisher nur in Rivers Kopf existierten. Allerdings hatte er jetzt echt nicht vor sich mit seinem Projektpartner anzufreunden, und erst recht nicht nur, damit er ihm seine Geschichten illustrieren konnte. Schämen brauchte Adrian sich jedenfalls wirklich nicht für sein Hobby. Nicht auf dem Level. River konnte es allerdings auch nicht lassen irgendeine Bemerkung zu machen. Es ließ sich einfach nicht stoppen, und manchmal konnte River nicht einmal sich selber aushalten. Vor seiner Verbannung war zwar nicht alles gut gewesen, aber es war [ibesser[/i] gewesen. Hatte er es nicht gut gehabt mit einem goldenen Löffel im Mund geboren zu werden? Sich nie Gedanken darum machen zu müssen, ob dieses oder jenes nun teuer war oder nicht? Und obwohl er selber jetzt nicht mehr so privilegiert war, man konnte nicht auslöschen, was man sein ganzes Leben lang erlebt hatte, nämlich dass Geld für manche keine Rolle spielte. Allerdings war River auch kein Idiot. Nur ein bisschen. Und nachdem Adrian ihn darauf hingewiesen hatte, dass nicht alle in Geld badeten, setzte die Realisation dieser Tatsache auch so langsam ein. Sparen! River schüttelte den Kopf. „Woher soll ich denn wissen, was Holz kostet?“, fragte er schließlich frustriert. Sah er so aus, als würde er regelmäßig Holz shoppen gehen? Wohl kaum. Was dachte Adrian eigentlich? 150 $ waren eigentlich nicht viel. Aber Rivers Vorstellung von viel hatte sich in den letzten Wochen ein wenig verschoben. 150 $ verdiente er in zwei Wochen, allerdings musste er den Großteil seines verdienten Geldes abdrücken. Damit er lernte, dass andere es nicht so gut hatten wie er. River sah nicht ein, dass er arbeiten gehen sollte, und dann das Geld noch nicht einmal behalten durfte. Auf die Militärschule hatte er allerdings noch weniger Bock. Und in dem Buchladen war es immerhin ganz angenehm. Wenig los. Zeit zum Schreiben. Oder lesen. Mit sadistischer Zufriedenheit registrierte River, dass er ins Schwarze getroffen hatte. „Meinst du, dass ich Bock drauf habe? Partnerarbeit ist scheiße.“ Dabei hatte es ihm mal Spaß gemacht, wenn er die Aufgaben mit seinen Freunden hatte erledigen können. Soweit Schule halt Spaß machen konnte. Aber River strengte gerne seinen Kopf an. Ihm wurde so schnell langweilig. „Und was machen wir jetzt? Gucken, was ihr da habt, und den Rest kaufen? Ich kriege was für Schulsachen. Und das ist für die Schule.“ Er zuckte mit den Schultern. „Also musst du dir deswegen nicht in die Hose machen.“ Eher konnte Adrian froh sein, dass der finanzielle Aspekt ihres Projektes mehr oder weniger geklärt war. RE: Let's build a time machine - Adrian Taylor - 22.09.2025 Er blinzelte. Irritiert blickte er in Rivers Gesicht, verlor sich dabei vielleicht einen Moment zu lange in seinen Augen. „Das war alles? Keine provokante Antwort, kein Widerspruch, kein…“ Er gestikulierte zu River, als sei offensichtlich, was er damit meinte. Konnte es wirklich sein, dass sein Mitschüler einfach akzeptierte, dass er hier etwas vorschnell gesprochen hatte ohne die Situation anderer im Blick zu haben? Das erschien ihm gerade zu einfach und in den letzten Monaten hatte er ganz allgemein zu viel Vertrauen in Mitschüler verloren, als dass er das jetzt einfach so akzeptieren konnte. Leicht war einfach nichts mehr in seinem Leben und da hinterfragte er dieses Phänomen lieber, anstatt es einfach anzunehmen und dann hinterher doch enttäuscht zu sein. „Was weiß ich, was du so einkaufen gehst“, protestierte er dann also mit einer Gegenfrage, als sie die Möglichkeit nicht absolut absurd, dass River hobbymäßig Holz shoppte. „Man braucht halt manchmal Holz.“ Seine Großeltern machten einfach unglaublich viel selber, hatten das erst an ihren Sohn weitergegeben und mit ihm gemeinsam schließlich an ihren Enkel. Nicht nur, weil das preisgünstiger sein konnte, als Dinge neu zu kaufen, sondern auch um diese Handfertigkeiten weiterzutragen und das Kind, das so langsam keines mehr war, zu fördern. Hätte Adrian manchmal gerne den leichten Weg gehabt? Ja, natürlich. Trotzdem war er heute froh im Zweifel auch alleine klar zu kommen und mit Werkzeug umgehen zu können. Prüfend blickte er River an. „Na ja, natürlich hast du keinen Bock. Aber, wenn wir mal ganz ehrlich sind, hast du doch auf nichts hier so richtig Bock.“ Seit der Blondschopf in Marblehead angekommen war, ließ er daran keinen Zweifel offen. Er hatte den Ort bereits abgeschrieben, bevor er ihn überhaupt kennengelernt hatte. Marbleheads Chancen bei River waren wohl ungefähr so hoch wie seine eigenen, stellte Adrian gedanklich fest und konnte sich nur schwer ein Seufzen unterdrücken. Und so stand er schließlich auf um hier wenigstens etwas Bewegung reinzubringen und nicht dauernd in der Situation zu sein, River anzusehen. Weil es einfach wirklich schwer war in dieses gottgleiche Gesicht zu blicken ohne sich dabei vorzustellen, diese Lippen zu küssen oder die Konturen mit den Fingern zu erforschen, um den Anderen noch besser zeichnen zu können. „Ja, lass uns runter gehen“, sagte er also und ging dann vor. River würde schon folgen. Es ging also wieder vorbei an den Ratten, die Treppe runter und dann in die Küche, um dort die in die Jahre gegangene Tür zum Garten zu öffnen und in Schlappen zu schlüpfen, die dort standen. „Kannst die von meinem Opa anziehen“, sagte er dann, „oder du holtst deine Schuhe ausm Flur.“ Sollte River sich für die eigenen Schuhe entscheiden, wartete Adrian, bis er wieder bei ihm war und ging dann zum Schuppen. Früher war er dauernd offen gewesen, mittlerweile schloss er ihn ab, weil hier einfach zu viele Gefahrenquellen für seine Großeltern lauerten. Allerdings: „Ich hab den Schlüssel vergessen.“ Jetzt seufzte er doch etwas. „Bin gleich wieder da.“ Und damit ging er mit schnellen Schritten zurück ins Haus, griff zu seinem Schlüsselbund im Flur, eilte in sein Zimmer, schloss dort eine Schublade auf, holte den Schuppenschlüssel und beeilte sich dann erneut um River nicht zu lange warten zu lassen. „Sorry“, murmelte er dann, ehe er schließlich aufschloss. Sofort kam ihm ein angenehmer Duft von Holz entgegen, gepaart mit dem Geruch von Gartengräten und Gerümpel. Schaufel, Rasenmäher, Werkbank, jede Menge Werkzeug fiel einem genau so ins Auge, wie ein wenig Weihnachtsdeko und ein Fahrrad. Und, bereitwillig in einer Ecke wartend, einige Bretter Holz, die allerdings von viel anderem Kram versperrt wurden. Das sperrige Fahrrad wurde kurzerhand hinaus geschoben und auf die Wiese gestellt, wo es umkippte und ignoriert wurde. Zurück im Schuppen stieß er etwas überfordert Luft aus, ehe er begann alles zur Seite zu räumen, was ihnen den Weg zum Holz versperrte. |